Pfarrerin Cornelia Egg-Möwes ist mit ihren Abendsegen bei youtube ein vertrautes Gesicht der Landeskirche geworden. Ein Film von Axel Mölkner-Kappl
Youtube-Andachten aus Mainburg
Eine Herzensangelegenheit
Der Erfolg verblüffte die Pfarrerin selbst. Hunderte, in Spitzenzeiten sogar tausende Aufrufe. Viele ermutigende Kommentare, zum Teil bis aus Südafrika. Mit ihrem digitalen Abend-Segen hat Cornelia Egg-Möwes einen Nerv getroffen. Vom Jugendlichen bis zum Greis: Generationsübergreifend sahen sich die Menschen jeden zweiten Tag die kurzen Videos auf der Homepage der Erlöserkirche Mainburg oder deren YouTube-Kanal an. Auf dem Kanal der bayerischen Landeskirche wurden die Videos ebenfalls hochgeladen. Um sie sich anschauen zu können, haben sich „über 90-Jährige von ihren Kindern und Enkeln die Computer einrichten lassen“, sagt Cornelia Egg-Möwes.
Erfolgsrezept: Spontaneität
Auf die Idee für ihre virtuellen Abend-Segen brachte die Pfarrerin zu Beginn der Pandemie ihr Sohn Benjamin Möwes. Der damals 16-Jährige übernahm den technischen Part: Zwei Smartphones und ein Notebook mussten genügen. Mama Cornelia improvisierte vor der Kamera. Spontanität statt einer festgelegten liturgischen Form: So beschreibt Cornelia Egg-Möwes das digitale Format, mit dem sie während der verschiedenen Lockdowns in Kontakt mit ihren Schäfchen blieb. Mit Erfolg: Für viele Gemeindemitglieder und darüber hinaus wurde das Ansehen der Videos zum festen Ritual. Zu etwas, das ihnen Halt gab. „Ich danke Ihnen, dass Sie in dieser Zeit für uns da waren“, sagte ein über 90-jähriger Mann kürzlich zu Cornelia Egg-Möwes.
Abendsegen zu "Der Mond ist aufgegangen"
Vereinzelt gab es aber auch kritische Stimmen. Vor allem, als in der zweiten Welle vorübergehend Online-Gottesdienste die analogen ablösten. „Man verbringt ohnehin schon so viel Zeit vor dem Bildschirm, und jetzt auch noch für den Sonntagsgottesdienst?“, so fragten manche erbost. „Das waren aber die, die mit den Corona-Maßnahmen insgesamt Schwierigkeiten haben“, sagt Cornelia Egg-Möwes. Die Sorge vor einer Spaltung der Kirchengemeinde nagt an ihr. Und dennoch: Sie sieht in der Digitalisierung eine große Chance für die Kirche. „Die Menschen haben nicht nur am Sonntagmorgen das Bedürfnis, Segen und Zuspruch zu bekommen“, betont Cornelia Egg-Möwes.
Seit März wieder Präsenzgottesdienste
Das Internet kommt diesem Bedürfnis ihrer Ansicht nach entgegen. Videos können zu jederzeit konsumiert oder Predigten nachgelesen werden. Die Pfarrerin selbst ist auf Twitter aktiv und schreibt einen eigenen Blog. Auch im „Kirchraum Ingolstadt“ – einer digitalen Plattform, auf der alle Inhalte aus dem Dekanat Ingolstadt der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden können – sind Cornelia Egg-Möwes und ihr Mann Frank Möwes aktiv. Die beiden teilen sich eine Pfarrstelle.
Im Moment werden in der Erlöserkirche allerdings keine neuen Abend-Segen oder Online-Gottesdienste produziert. Seit Mitte März feiert die Gemeinde wieder Präsenzgottesdienste in einer Halle. Die bietet genügend Platz für 70 Gläubige, trotz Abstandsregeln. Die Rückkehr zum Analogen bindet viele Kräfte, die vorher für die Videoproduktion zur Verfügung standen. Genau wie die virtuelle Seelsorge in den sozialen Medien oder per E-Mail. Und Sohn Benjamin ist schulisch stark eingebunden, kann seiner Mutter nicht mehr regelmäßig helfen. Zu besonderen Anlässen aber soll es wieder Abend-Segen geben. Für Cornelia Egg-Möwes sind sie eine Herzensangelegenheit.
"Videos müssen kurz und knackig sein"
Die Technik ist inzwischen vorhanden, das Wissen auch. Cornelia Egg-Möwes wichtigster Rat an Gemeinden, die ebenfalls digitaler arbeiten wollen: „Man muss tatsächlich Geld in die Hand nehmen, wenn die Qualität stimmen soll.“ Ihre Gemeinde habe insgesamt rund 2500 bis 3000 Euro in die Ausrüstung investiert. Finanzielle Unterstützung gab es aus dem Digitalfonds der bayerischen Landeskirche. Besonderen Wert legte die Pfarrerin auf ein gutes Mikrofon. „Wenn der Ton nicht passt, kann man die Aufnahme mit dem Bild kaum rausreißen.“ Mindestens genauso wichtig: Die Videos müssen kurz und knackig sein. „Das hat sich bewährt.“ Oder, um es mit den Worten eines treuen Zuschauers auszudrücken: „Es gibt so viele schlechte Nachrichten im Netz. Da ist der Abend-Segen ein Licht in dieser Zeit.“
02.08.2021
Silke Scheder